In der New Economy gab es eine Standardfrage von Investoren an Startups, die sich als absolut zentral erwiesen hat: “Könnt Ihr was, was sonst kein anderer kann?” Alles andere ist dagegen zweitrangig, denn an allem, an Produkten, Märkten, Teams kann man später feilen, hinbiegen und rumdrehen, aber nicht an dieser Kernproblematik. Sobald zwei Teams an der gleichen Idee dran sind, explodieren die Kosten für das Marketing und die Herausarbeitung eben jenes Vorsprungs, mit verheerenden Folgen für den Geldgeber bei Bewertung und Risiko des Investments. Für das Team bedeutet es einen aufreibenden Zweifrontenkrieg, einerseits für das eigene Produkt und dessen Markt, und zum anderen gegen den Konkurrenten. An solchen Problemen und den dadurch entstehenden Folgen für Teams und Businessplan sind Startups vermutlich öfter draufgegangen, als an klassischen Fehleinschätzungen des Marktes.

Teuer und ekelhaft wurden solche Kämpfe vor allem, weil die Marktentwicklung über den Preis der Produkte gelaufen ist. Für Börsengänge zählte allein das Wachstum, also musste erst mal Umsatz her, egal auf welche Art. Bestes Beispiel sind die grossen Webagenturen des Jahres 1999, die sich ein Rattenrennen um grosse Kunden lieferten. Was dann so aussah, dass eine Agentur einer grosse Bank 12 Monate praktisch kostenlose Wartung ihrer Webseite über Luftbuchungen anbot. Prima für den Umsatz, Verluste sind Wunschgrössen für die Buchhaltung, notfalls gründet man was aus, wo die Verluste hingehen. Das Ende von Razorfish über Red Ant bis Kabel New Media ist sattsam bekannt. Es ist einfach entscheidend, dass die Jungs etwas können, was ihnen keiner nachmachen kann, nur dann bekommen sie auch das Geld für ihre Produkte. Klingt banal, ist es auch – so banal wie die un-glaub-lich wirksame Erkenntnis, dass Rauchen Lungenkrebs verursacht.

Heute, 5 Jahre nach dem omnipräsenten Verrecken, reden manche vom Web2.0 und social Media. Und fast könnte man glauben, dass es diesmal besser läuft. Denn die Firmen, von denen man momentan in den üblichen Kreisen so spricht, haben durch die “soziale” Ausrichtung etwas geschaffen, was nur sie können: Die Community, die sie und ihre Inhaltebasis ausmachen. Früher sagte man, wenn man hinten dran war und eine Kopie startete: Wir werben den anderen die Schlüsselzugänge zum Markt ab, wir holen uns ein paar unzufriedene Mitarbeiter von denen – das ging ganz locker, schliesslich gab es eine überschaubare Anzahl an Akteuren und Kunden. Im Web2.0 ist die Softwareentwicklung im Vergleich zum Communityaufbau ein Klacks, und der Community kann man nicht ein paar hunderttausend Angeboten zum wechseln kommen, sollte man meinen.

Andererseits ist es nicht weiter schwer, die Software nachzubauen und sich theoretisch die gleiche Ausgangsbasis zu erschaffen. Und dann? Schauen wir mal auf drei bekannte deutsche Firmen: Das Karrierenetzwerk OpenBC (finanziert durch Freunde des Gründers und Wellington), das Studentennetzwerk StudiVZ (Samwer Brüder, Holtzbrinck) und den Empfehlungsdienst Qype (“Businessangels”, hinter denen sich Jungs von SinnerSchrader verbergen sollen, sowie VCs).

OpenBC soll über 1 Million Mitglieder haben, teilweise in Form eines Haufens Karteileichen. Und neben den Karteikarten gibt es als interaktives Element für die “Power-User” die Foren. In meinen Augen Bühnen für Scharlatane, Selbstdarsteller und Grossmäuler, aber eben das dynamische Element, das aus der grossen Community viele kleine Bereiche macht, die den Laden zusammenhalten und tagesaktuell fortentwickeln. Hier kann man nachlesen, wie OpenBC mit Foren und deren Leitern umgeht: Von oben herab, und ohne Vergünstigung und Anreize, dafür aber mit Inkasso gegen Leistungsträger. Hey, man ist der Marktführer, sonst gibt es hierzulande nichts vergleichbares, und beim Börsengang sollen 200 Millionen fliessen, mindestens. Gesellschaftspolitisch betrachtet schafft OpenBC an, und die anderen müssen spuren. Asozial mit social Software. Und da stossen wir auf ein spannendes Phänomen der Social Software:

1. Die Community ist letztlich nur eine erweiterte, unbezahlte Struktur der Firma.

So. Jetzt nehmen wir mal an, wir wollen OpenBC mal so richtig weh tun. Ihren Marktwert um 50 Millionen senken. Das geht so: Wir bauen die Software nach, verstärken aber massiv die Foren und bohren die Profile um nichtstatische Elemente auf. Und dann bieten wir den Forenmachern bei OpenBC an, dass sie 500 Euro im Monat bekommen, Premiummitgliedschaft für lau, von mir aus auch ein paar Bonusmeilen und eine Flasche Schampus, sowie 50 Einladungen für andere, die unseren Dienst in der Pro-Version für ein Jahr lang kostenlos ausprobieren dürfen. Würde etwa 2, 3 Millionen/Jahr kosten, und danach dürfte OpenBC aber die Mutter aller wertlosen Karteileichen sein.

StudiVZ hat angeblich 900.000 Mitglieder, die meisten sind noch nicht länger als ein paar Wochen oder wenige Monate dabei. Was “dabei” eben so heisst, wenn man draussen bleiben muss, weil der Server dauernd abstürzt und man seit Monaten keine Lösung hat. Kritische Fragen werden knallhart abgewürgt Dabei gäbe es einiges zu besprechen, die Samwer-Jamba-Connection und noch so ein paar Lebenslügen, die aus einem 32-Mann-Startup bitteschön wieder die netten Studis von der Uni machen sollen. Wer mal zu Technorati schaut wird feststellen, dass der Unmut klar dominiert. Was zur Schlússfolgerung führt:

2. Communities sind nicht ganz doof, lassen sich ungern verarschen und hinhalten.

Aus Sicht der PR sitzt das StudiVZ auf einer Bombe: Unklare Finanzierung, unschöne Hintermänner, schlechte Erreichbarkeit, wenig sympathisches Handling. Das ist, mit Verlaub, der Stoff, aus dem schelchtes Karma in Hektolitern gekeltert wird. StudiVZ hat noch nicht erklärt, wie sie Geld verdienen wollen. Wäre ich fies, würde ich – was natürlich verboten ist – da mit meinen Prätorianern reingehen, eine Gruppe Unzufriedener mit massenhaft gefälschten Bunnies der Extraklasse gründen, drei Wochen gruscheln ohne Ende, und dann einem Journalisten stecken, dass die Jungs auf massenhaft hochsensiblen und leicht zugänglichen Daten sitzen. Keine Ahnung, was genau die damit machen, bei den windelweichen StudiVZ-AGBs zum Datenschutz wird mir persönlich jedoch speiübel. Ich bin ja nicht fies und würde das nie tun, aber dank der Interaktionsmöglichkeiten hat StudiVZ da eine enorm grosse, weiche Flanke für einen Generalangriff, wenn so eine negative Nachricht erst mal die Runde macht und es irgendwo eine funktionierende Alternative gibt.

Und Qype – nun, was man da tun kann, wird man sehen. Ich habe keine Ahnung, was an Strategien gegen OpenBC und StudiVZ in irgendwelchen Schubladen liegt, die obigen Ideen sind sicher kein grosses Problem für die üblichen Knochenbrecher der Strategieberater, aber bei Qype gibt es definitv einen Plan und einen Ansatz, der im Prinzip darauf beruht, dass eine uninspirierte Community wie die Qypeschreiberlinge, die das Füllmaterial für das Venture Capital Kassieren eines Mannes mit besten Kontakten zu Bild.T-Online sind, wohl keine Chance haben gegen eine disziplinierte Prätorianergarde mit einem Ziel, effektivem Qualitätsmanagement und einer Mission. Die dritte Lehre lautet:

3. Die Grösse der Community ist nichts, wenn ihre Qualität nicht stimmt.

Schlussendlich würde ich sagen: Die alten VC-Weisheiten werden bei Firmen, die ihr Leben aus der Community beziehen, nicht mehr gelten. Communitymanagement im Internet ist ein absoluter Scheissjob, done that, nie wieder, danke, lustig und lukratiuv wie ein Flohzirkus in der Unterhose. Man sollte vorher eine Menge Lenin und Trotzki lesen, das Internet lässt sich prima mit den Begriffen der permanenten Revolution fassen, und bitte nicht wundern, wenn die roten Garden plötzlich vor dem Palast stehen. Während man früher ein Team mit ein paar Leuten hatte, die mehr oder weniger durch ein Ziel geeint waren, steht man heute vor dem Chaos einer an der Firma hängenden Gesellschaft, in der jeder profitorientierte Regelungsansatz fehlen muss, weil er die Profite der Firma schmälern würde. Aber das macht die Dinger auch so kritisch, unberechenbar und anfällig. Ein Heidenspektakel natürlich für die, die in der Blogbar zuschauen können. Setzt Euch, nehmt einen Keks.