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Neutrinos und Blamagen

"Loses Kabel blamiert Teilchenphysiker" - so betitelt heute SPIEGEL ONLINE einen Artikel, der Meldungen über neue Erkenntnisse bezüglich der Zeit-Anomalie beim CNGS-Experiment zum Inhalt hat.

Wir erinnern uns: Im vergangenen Jahr gab es eine Veröffentlichung, in der die Wissenschaftler vom CNGS/OPERA-Experiment darüber berichteten, dass sie für Neutrinos, die mit Hilfe des SPS am CERN erzeugt worden waren, eine kürzere Flugzeit zum OPERA-Detektor im Gran-Sasso-Massiv gemessen hatten, als man für den gegebenen Abstand eigentlich hätte erwarten müssen.

Die Presse stürzte sich damals auf die Meldung und während zum Teil wenigstens auf Zweifel an den Ergebnissen hingewiesen wurde (wenn auch wesentlich schwächer als in der ursprünglichen Veröffentlichung), klangen manche Artikel geradezu euphorisch und sahen die Verifizierung der Ergebnisse fast als reine Formsache an.

Heute gab es eine Kurzmeldung, dass man möglicherweise die Ursache für die gemessene Anomalie gefunden hat: Eventuell sorgte eine schlechte Verbindung zwischen dem als Referenz-Zeitquelle dienenden GPS-Empfänger und der am Detektor für die Zeiterfassung dienenden Elektronik dafür, dass man die bei der Übertragung entstehende Verzögerung falsch bestimmte und entsprechend das Messergebnis falsch korrigierte.

Auf Basis dieser Meldung entstand dann wahrscheinlich auch der oben genannte Artikel bei SPIEGEL ONLINE. Ich vermag allerdings in der neuen Meldung keine Blamage für die beteiligten Wissenschaftler erkennen: Diese gingen nämlich von Anfang an von einem Messfehler aus und brachten dies auch in ihrer Veröffentlichung zum Ausdruck.

Blamabel ist die Sache meiner Meinung nach eher für die Personen, die - wahrscheinlich ohne die Original-Veröffentlichung zu lesen - die Meldungen von den "überlichtschnellen Neutrinos" unreflektiert weitergaben und zum Teil schon die spezielle Relativitätstheorie widerlegt sahen. Selbstkritik scheint man aber bei jenen Journalisten die einen guten Beitrag zum damaligen Hype leisteten aber anscheinend nicht üben.