Warum Physik studieren?
Gestern habe ich meine letzte Diplomprüfung hinter mich gebracht. Am Montag werde ich mit meiner Diplomarbeit bei ANKA, dem Synchrotron am Forschungszentrum Karlsruhe, beginnen. Ein guter Zeitpunkt um eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen, ob sich das Physik-Studium bis jetzt gelohnt hat.
Ich muss zugeben, dass ich, als ich mich entschied Physik zu studieren, in gewisser Hinsicht ein falsches Bild vom Studium hatte: Ich habe sowohl den "mathematischen" Anteil als auch die Schwierigkeit deutlich unterschätzt. Dies führte dazu dass ich mich vor allem im vierten und fünften Semester, also gegen Ende des Grundstudiums, häufig fragte, ob es tatsächlich die richtige Entscheidung war, Physik zu studieren.
Andererseits habe ich durch das Studium einen tieferen Einblick in die Physik bekommen, als es mir durch reines Literatur-Studium jemals gelungen wäre. Im Verlauf des Studiums gab es immer wieder Momente der Erkenntnis, in denen ich mich freute mich für die Physik entschieden zu haben. Zwar bin ich wahrscheinlich immer noch ein besserer Software-Entwickler als Physiker, trotzdem hat sich aus meiner Sicht das Studium bislang gelohnt und ich würde mich wohl wieder so entscheiden.
Umso mehr freue ich mich bereits jetzt auf meine Diplomarbeit. Dort werde ich nämlich meine Leidenschaft für die Software-Entwicklung mit meiner Leidenschaft für die Physik kombinieren können: Ich werde am Beschleunigerkontrollsystem und am Beschleunigermodell der Synchrotronstrahlungsquelle ANKA arbeiten. Dabei werde ich einerseits versuchen eine Schnittstelle zwischen dem Kontrollsystem und dem Modell zu schaffen um so direkt aus dem Kontrollsystem heraus auf Simulationen zurückgreifen zu können und in der Simulation bestimmte Parameter direkt im Kontrollsystem einstellen zu können. Außerdem werde ich versuchen das Beschleunigermodell zu verbessern (z.B. die Unterstützung mit Messdaten aus dem Kontrollsystem).
Für die Physiker unter den Lesern: Von besonderem Interesse ist dabei der Betriebsmodus mit sehr kurzen Bunch-Längen, der insbesondere für die Erzeugung kohärenter Terahertz-Strahlung genutzt wird.
Das schöne an diesem Thema ist, dass es auf interessante Weise die Software-Entwicklung mit der Physik verknüpft: Im Bereich der Software-Entwicklung liegt die Herausforderungen darin eine einfache und gut zu wartende Schnittstelle zwischen Java-Code im Beschleunigerkontrollsystem und MATLAB-Code im Beschleuniger-Modell zu schaffen und es dadurch zu ermöglichen in einer erweiterbaren Architektur neue Komponenten hinzuzufügen. Auf Seiten der Physik liegt die Aufgabenstellung im Bereich der Ionenoptik (für die es bereits sehr gute Modelle gibt) und extener Störungen, die sich zum Teil nur anhand von Erfahrungswerten modellieren lassen.
Auf jeden Fall darf ich mich auf ein spannendes letzten Studienjahr freuen und kann als Fazit nur jedem Interessierten empfehlen: Wenn du dich wirklich für Physik interessierst, wirst du - trotz aller Unanehmlichkeiten - mit einem Physik-Studium nicht falsch liegen.